28. November 2011

matrosen teilen sich die wahrheiten über seeungeheuer

Auf Wellen reiten wir und miteinander, in diesem Ozean aus Nähe, hier eine Insel, da das Festland in Sicht, nur nicht anlegen, immer weiter. Der Wind hinterlässt salzige Spuren auf meinem Gesicht, es riecht nach Freiheit und versunkenen Schätzen tief unter der Gischt, die brodelt und tanzt. Während wir uns an der Reling festhalten, um gemeinsam Seemannsgarn zu spinnen und den Riesenkraken Geheimnisse zuzuflüstern, will ein Sturm losbrechen und schafft es nicht, weil die Wolken dagegenhalten und der Regen Angst bekommt vor der Leichtigkeit unseres Bootes, weil wir lachen statt zu fürchten und den Sirenen ernsthaft zuhören, um ihnen zu zeigen, dass wir für alles Verständnis haben. Auch für die Gestrandeten und die Gescheiterten und für die verwirrten Verwirrenden, für zerbrochene Planken und dieses sagenhafte Leck im Bug, für die salzverkrusteten Narben in unseren Herzen und das Süßwasser unserer Tränen. Uns spült es niemals an Land, schiffbrüchig treibt es uns von Ozean zu Ozean, von Wahrheit zu Wahrheit, von dir zu mir und zurück zu den Atollen, unser Boot kann nicht kentern, ich weiß das, ich weiß das, frag nicht woher.

26. November 2011

jungsmusik

Ich habe vier Männer geküsst in dieser Nacht, vier Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten und jeder Kuss war eine Wahrheit und eine Lüge zugleich. Ich bin ein Kussmädchen, unbändig, taumelnd von einem Lippenpaar zum nächsten und nichts ist mir genug, ich will immer noch mehr, die Sehnsucht zerfrisst mich, in meinem Kopf ein wildes Chaos und in meinem Bauch diese Leere. Wäre ich betrunken gewesen, hätte ich eine Ausrede, wärst du nicht betrunken gewesen, hättest du innegehalten und dich nicht berühren lassen von dieser seltsamen Frau, die dir Märchen erzählt und in die man sich verlieben kann, irgendwie, aus Versehen nur, unbändig, ein Nachtmädchen, biertrinkend, Jungsmusik. Ein Leben wie eine kalte Pizza ist das, nur in Notfällen genießbar und du mittendrin, eine Pepperoni auf der Zunge und Oregano im Haar, schwarze Oliven zwischen den Zehen und dieser knusprige Rand, der hart geworden ist über Nacht; du beißt dir die Zähne aus daran. Glaub mir, ich bin eine Frau für einen Abend, für fünf Bier und ein paar Schnäpse, ein Mädchen wider Willen, zum Küssen und Träumen, aber das Erwachen ist schal. Das sind die langen Nächte in dieser kleinen Stadt, die man herumbringt und doch allein aufwacht, weil man diese Kälte und die vielen Fragen im eigenen Bett am nächsten Tag nicht ertragen würde, das sind die kalten Füße auf dem Parkett deiner Sehnsucht, die steifgefrorenen Finger am Hals deiner Existenz.

Verliebt euch, seid stark und klug und voller Charme, um dieser Frau zu zeigen, dass ihr stark seid wie sie. Sie ist es nicht, ihr täuscht euch und was ihr Liebe nennt ist Bewunderung. Ja, bewundert die Scherben meiner Welt, wie sie da vor der Bar zwischen den Scherben der Nacht liegen, wie ich darübertanze mit nackten Füßen, meiner angekratzten Moral und dem Kopf in den Wolken, ich verstehe zu wenig von Diplomatie, um zurückhaltend zu sein, zu wenig von Nähe, um ehrlich zu sein, zu wenig von mir selbst, um zu lügen.

25. November 2011

unter den wurzeln

Trag mich nach Hause, wo immer das ist, bring mich in die Wärme einer Umarmung und halt mich nicht fest, aber fest im Arm. Ich brauche nicht mehr nur eine Schulter zum Anlehnen, ich brauche zwei davon und einen Rücken, auf den ich mich stützen kann, wenn mir die Knie weich werden und meine Stimme versagt angesichts der Größe der Geschichen, die das Leben so schreibt. Lass mich atmen und weinen.

22. November 2011

eis|tau

Mit der Kälte kommt die Ahnung, mit der Ahnung das Zweifeln. Unterwegs hinterlässt du Spuren und merkst es, merkst es nicht, hoffst verängstigt auf ein Ziel, rennst kopflos davon, ohne zu wissen wovor, vor dir selbst, vor dem nahenden Winter, vor der brennenden Sehnsucht nach Wärme vielleicht. Vielleicht vor der Möglichkeit der Nähe, sie macht dir Angst.

18. November 2011

-_-

Wie wir uns wundern manchmal, wie wir uns überwerfen vor lauter Nichtwissen und trotzdem Habenwollen. Ein Stück weit wie neugeboren angesichts der Leichtigkeit, mit der wir Tränen vergießen und lachen können zugleich.

17. November 2011

antwort an einen unbekannten

Und dann machst du einen Fehler, einen kleinen nur aber er verändert die Welt um dich herum. Dein Lächeln stirbt urplötzlich und in deinem Haar verfängt sich der Herbst, der Sommer war schon lange vorbei und das Frühlingsmädchen gestrandet an einem einsamen Ufer ohne Aussicht, nur Buschwerk, menschenhoch. Während du noch auf Rettung hoffst, sind die Helden dieser Tage bereits zu neuen Abenteuern unterwegs und du nur einen Steinwurf weit vom Meer entfernt. Es regnet. Unaufhörlich fällt Wasser vom Himmel und du ertrinkst in Erinnerung. Das Pferd ist tot und die Helden zu Fuß, was macht es schon, sie retten sich selbst, die größte Prüfung von allen vielleicht; hör nicht zu Lächeln auf, Lächeln ist Hoffnung, Hoffnung ist Sehnsucht, Sehnsucht ist Glück.

15. November 2011

fragen an penelope

Ja doch. Du hast das richtig gesehen: Da sind Disteln in meinem Haar und Laub auf meinen Lippen. Während du roten Wein getrunken hast, habe ich gewartet, dass etwas passiert. Irgendetwas muss doch irgendwann einmal passieren, das kann doch nicht sein, dass ich hier warte, bis dir der Rotwein von der Zunge tropft und mit ihm eine Lüge oder eine Wahrheit, was weiß ich denn davon. Osteuropa in mir lärmt und tanzt und trinkt und lacht, während Westeuropa in mir feinbravartig arbeiten geht, Geld verdienen für den Wein, den du trinkst, um Mut zu sammeln für die vielen Fragen, die du mir doch niemals stellen wirst. Unterdessen ist unterwegs etwas verlorengegangen, ich weiß nicht mehr genau, was es war, aber ich vermisse es – mit Inbrunst und doch nur ganz nebenbei, so latent beim Aufstehen und Zubettgehen, beim Umsehen und Nichtverstehen, ständig, immerzu. Während ich in dein Ohr flüstere und die Wahrheit sage, ausnahmsweise einmal, nicht für lange, denn der Wahrheit folgt umgehend eine Lüge, wie das immer so ist mit diesen Dingen, die in uns drin passieren und die wir deswegen partout nicht verstehen können. Du lachst, bittersüß, deine Zunge schwer und dunkelrot deine Zähne; ich warte immer noch.

wissent|lich

Erst musst du niesen, dann verrutscht dir die Wimperntusche und später bleibt einer, der gehen sollte und geht einer, der besser bleiben sollte; so ist das, wenn du dich nicht mehr auskennst mit dir selbst, weil alles zusammengeschrumpft ist auf diesen einen Punkt, der mit dem Finger auf dich zeigt und lacht. Sieben lange Sekunden und sieben kurze Stunden, du wartest auf besseres Wetter, besseren Kaffee und bessere Zigaretten. Lohnt sich nicht, denn das alles bringt dich doch nur um irgendwann, weil du dich lachend bei Sonnenschein auf einer Wiese liegend an deinem Kaffee verschlucken wirst, die brennende Zigarette in deiner Hand dein leichtes Sommerkleid in eine Flammenfalle verwandeln und keiner dich sehen und retten wird, weil die Sonne allen die Sicht auf dich nimmt. Eine Vorstellung wie gemalt. Stattdessen sitzt du mit kalten Füßen und heißer Zitrone in deiner Küche, zählst die Nächte bis zum nächsten Frühling und hoffst. Immerhin.

14. November 2011

nacht|musik

Nach der Musik kommt die Nacht, nach der Nacht der Sonnenschein und du lächelst, weil dich jemand im Arm hält ohne Erwartungen und ohne Fragen. Nach der Musik kommt die Nacht, immer wieder, sie ist kalt wie deine Füße auf dem Kies in diesen viel zu dünnen Schuhen und den viel zu leicht genommenen Küssen, du spürst dich nicht und dein Herz, es schlägt. Ja doch, nur wie lange schon, in diesem Takt, der nicht zur Musik passt oder vielleicht auch viel zu gut; der Soundtrack deines Lebens ein trauriges Saxophon, gespielt von einem traurigen Mann mit eiskalten Fingern bei drei Grad Celsius. Ein trauriges Saxophon und dein trauriges Herz, das ist nicht französich, das ist Russland im Winter bei 20 Zentimetern Neuschnee und du auf einem einsamen Spaziergang unter den Sternen, nachts, wenn die Musik verklungen ist und allein das Echo übrigbleibt. It’s a not a miracle at all.

11. November 2011

zehen|geständnis

Ob das gutgehen kann, fragst du dich. Ob das auch wirklich gutgehen kann, mit diesem Leben, dass dir nur halb passt. So wie ein Paar Schuhe aus dem Schlussverkauf, „aber sie haben doch so schön ausgesehen, da im Neonlicht zwischen all den anderen Schuhen“. Bei Tageslicht dann oder noch schlimmer: bei Nacht dann, da gefällt dir die Farbe nicht mehr und das Leder ist fleckig, die Sohle rutschig und beim Laufen auf dem unwegsamen Gelände des Miteinanders holst du dir Blasen wie niemals zuvor.

Zieh die Schuhe aus, stich die Blasen auf mit einer dreckigen Nadel, damit du noch lange zehren kannst von den Schmerzen; auf dass du etwas lernen magst für das nächste Mal. Bedenke: barfuß ist in diesem Winter keine Alternative und niemand ist da, der deine Füße waschen und ölen wird, die Wollsocken sind im Feuer deiner Lügen verbrannt und unter der Bettdecke bleiben deine Zehen kalt wie die Eisklümpchen, die dir das Herz verstopfen. Schnee auf mein Haupt, Salz auf meine Wunden, Wärme all denen, denen ich noch etwas schuldig bin – könnte ich gehen auf meinen wunden Sohlen, ich würde laufen ans Ende der Welt, damit ihr mir vergebt.