29. Oktober 2011

other|wise

26. Oktober 2011

aqua|planing

Wenn dir die Kälte in den Nacken kriecht und du das Gefühl hast, dass in dir drin irgendwas kaputtgegangen ist. Ein Leben ist so gut, wie du es dir machst und du selbst stehst dir im Weg, während du jeden Morgen aufstehst und Schritt um Schritt auswendig gehst, blind und unbeholfen, leer innendrin, ein Herz aus Stein und dein Magen eine Schlangengrube. Die Tage fliegen an dir vorbei, schon ist es Herbst, wieder einmal. Ich hatte so oft schon Herbst dieses Jahr, nach jedem Sommer, nach jedem Frühling und war dieser auch noch so kurz, der Herbst kam jedes Mal, jetzt endlich ist er auch vor der Tür und in den Geschäften die Weihnachstdeko. Du träumst von der weiten Welt oder eben einfach Berlin, istdochegal, ist ja fast das gleiche, hauptsache weit und weg von der Enge in deinem eigenen Kopf, die Winterstiefel im Gepäck und den Bikini und eine Leiter, um von oben auf alles herabsehen zu können, einmal nur über dem Nebel stehen, der dich hier unten immer umgibt und dir die Sicht auf die Dinge nimmt.

24. Oktober 2011

flucht|punkte

Das sind die Tage, an denen das Herz stillsteht, ungeplant und einfachmalso. Schlag auf Schlag eben noch und dann diese Stille, du hinterfragst nicht nur dich sondern auch dich in der Welt, das macht etwas mit dir, das macht nichts, das will nur spielen aber irgendetwas tut es mit dir und du begreifst es nicht. Ein nebelfeiner Rauhreif legt sich auf deine Haut, die Wärme weicht und du ertappst dich fröstelnd am Rande deiner Sinne, an dem ein Sturm tobt, der alles verschlingt was dir zu nahe kommt, um es an den Klippen deines Herzens zerschellen zu lassen.

Morgen mag alles anders sein, wenn du wieder ganz in der Welt bist und dein Kopf nicht länger diese Fragen stellt, die keine Antworten zulassen, wenn deine unerklärliche Sehnsucht die Koffer wieder ausgepackt und die dreckige Wäsche gewaschen hat, dann, vielleicht, wer weiß das schon.

21. Oktober 2011

möwen|schrei

Verlier dich nicht, nicht hier, wo das Wasser glitzert und du denkst, du wärst am Meer. Die Weite aber ist gespielt, im Grunde ist alles hier eng wie dein Herz, verwinkelt wie deine Gefühle und klein wie deine Seele, die angesichts der Prachtbauten vollends sich verkriechen will; halt dich fest an irgendwas, an Erinnerungen vielleicht oder an Träumen, an einem Lächeln und der Traurigkeit der Reeperbahn mittags um Zwölf.
Auf der Binnenalster die Möwen, sie jagen den Kindern und ihren Vesperbroten hinterher, mein Blick fängt sich im Himmel, frisst sich fest an den Wolken und stirbt einen Tod. Einen Tod muss man sterben, wenn andere Dinge leben sollen, einen Tod immer. Die Möwen schreien, ich fliege nicht, meine Füße am Boden, mein Lachen im Hals.

17. Oktober 2011

přes|hranice

Liebe sei grenzenlos, über alle Barrieren hinweg, unhaltbar; keine Sprache der Welt, die nicht wüsste, Liebe ohne Worte auszudrücken. Wegbegleiter, Bruder im Herzen und später Bruder auf dem Papier, můj bratr, so gehen die Dinge manchmal seltsame Wege, meine Hand in deinem Nacken, weil ich es spüre. Es ist so skurril, wie du feierst und ich dich beobachte, vom anderen Ende des Saales, über die Köpfe der Fremdsprachen hinweg, ich eine Außerirdische, du nicht in der Welt, wir eine Familie über Grenzen, jsem tvoje ségra Zuzana. Ich wünsche Glück und es ist eine Farce, jste táta, hohl ist mein Herz. In Gedanken gebe ich dir einen letzten Kuss und hoffe, dass du trotz allem glücklich wirst, irgendwie, mit Becherovka und Hruškovice vielleicht, možná že s ruskou ženou, der Abschiedsmoment bringt uns die einzigen Sekunden, die wir füreinander haben an diesem Tag, ein Küsschen linkrechtslinks, ahoj und auf Wiedersehen, du hältst dich an mir fest als wäre ich ein Anker, als müsstest du dich entschuldigen für die Zeit, die wir nie hatten. Mám tě rád, mein Lieber, někde tam bude vždy být hranice.

13. Oktober 2011

pendler|pauschale

Lächeln. Das Hirn ist leer, die Füße wund, der Kopf liegt noch im Büro auf der Tastatur und reibt die wunden Augen an den Tastenkürzeln, klickenlesenlächelnlöschen, nickenschreibenmerkentun, ich habe nur noch das Nötigste meiner selbst dabei, alles andere da, wo es am besten zu gebrauchen ist: Der Hintern auf der Couch, der Kopf im Büro, die Füße im Bett, die Hände im eigenen Haar verfangen, die Finger an der Zigarette, der Mund an der Kaffeetasse und das Herz, ja, das Herz. Es schlägt in einem Rhythmus. In meinem? In deinem?
Wer braucht eine Antwort darauf.

11. Oktober 2011

laken|male

Eine Hand in meinem Schoß und deine Lippen in meinem Nacken. Es ist kein Spiel mehr, es geht um Macht und Ohnmacht, um Lust und Leidenschaft und ich atme schwer, deine Finger um meinen Hals. Ich weiß nicht, was ich will, weiß nicht, was gut für mich ist, habe nie gelernt zu sagen, wo die Reise hingehen soll. Meine Wünsche sind einfach und auch wieder nicht, meine Bedürfnisse viel komplizierter, der Kopf mein Feind und das Denken sein Kriegsführer, selbst in meinem Bett bin ich nicht ich, sondern hilflos verstrickt in Erwartungen und Vorstellungen vom Leben und Lieben. Mein Körper ist mir fremd manchmal und meine eigenen Finger haben über die Jahre nie wirklich gelernt, was zu tun ist. Wie also soll ich dir eine Hilfestellung geben für etwas, von dem ich selbst so wenig kenne, außer die Tatsache, dass ich deine Hände auf meinem Körper, deine Küsse in meinem Nacken und diesen Anflug von Wildheit in dir mag.

6. Oktober 2011

la|vie

Dann kommt der Regen. Wie du über das Kopfsteinpflaster stöckelst mit deinen Absätzen und du dir ein Halstuch um den Kopf schlingst, damit dir die Nässe nicht über die Kopfhaut ins Gehirn kriecht. Wie du den Kragen der Jacke hochschlägst und festhältst, weil der Regen dir in den Nacken tropft und den Rücken hinunterläuft wie andernnachts die Finger eines Mannes; Gänsehaut und die Wimperntusche verläuft, du stöckelst weiter, dunkel und leergefegt die Innenstadt. Unter den Schirmen der Cafés die Menschen, dicht gedrängt, du in der Mitte der Straße, es ist ein Mythos, dass du trocken bleibst, wenn du dich an Hauswänden entlang nach Hause schleichst, der Regen, er kommt von Innen. Alles ist so französisch auf einmal, der Regen, das Licht in den Pfützen, das Tuch um dein Haar, das Kopfsteinpflaster, mon amour, küss mir die Wangen trocken und spiel mir ein Lied auf der Klarinette, ich bekomme Lust auf Galettes und Baguettes, auf Küsse im Regen und Rotwein aus einem Becherglas, auf eine Zigarette am offenen Fenster und schwarzen Kaffee.

4. Oktober 2011

be|long

Das alles gehört zu mir, wie die Dokumente im Schrank, wie die Geburtsurkunde, die Versicherungspolice, die Zeugnisse und Rentenbescheinigungen, das alles gehört dazu. Den ganzen Krempel packen und Shreddern möchte ich manchmal, ganz neu anfangen, a new beginning, nochmal nachdenken und vielleicht ja umentscheiden, andere Noten, ein anderer Name, andere Versicherungen, ein anderes Ich. So leicht ist das aber nicht, du kannst das ganze Papier verbrennen, alte Brücken sprengen, die Dinge verneinen, aber was da in deinem Kopf umhergeistert und in deiner Seele, das kannst du höchstens in den Keller stecken und hoffen, dass es vergammelt irgendwann. Wird es aber nicht. Das alles bin ich, da unten im dunklen Gewölbe, das alles gehört dazu.

3. Oktober 2011

flüster|post

 

Wie erkläre ich mich, wenn die Wörter im Hals steckenbleiben und im Herz, wie benenne ich mich, wenn mir ein Name gegeben wurde, den ich nicht aussprechen kann, weil ich dieser Sprache nicht mächtig bin und meine Zunge die Laute nicht formen kann. Ich bin Schweigen und Stolpern über Ungesagtes, ein Laut, der fremd in meinen eigenen Ohren klingt, mir unvertraut und kalt, ein Wintermärchen. Wo ist der Frühling, fragst du. Streu Sand auf die gefrorenen Wege, streu Salz auf mein Herz.