29. Juli 2011

honig|mond

Eine Gratwanderung ist das. Ich manövriere mich durch die Erwartungen anderer und meine eigenen Wünsche, alles geht viel zu schnell, ich kann nicht durchatmen. Steh still, nur einen Moment, während ich dich küsse und koste, während ich dich liebe auf meine Art, auf deine Weise. Und im Kopf fallen die Würfel ständig neu, es klappert viel zu laut da drin, so laut, dass ich nichts anderes mehr hören kann; das Frühlingsmädchen wimmert und bettelt nach Nähe und Wärme und will immer genau das, was es nicht haben kann. Mein polyamouröses Herz bricht mit jedem seiner Blicke, nebeneinander stehen wir und ich spüre seine Haut, elektrisiert, es knistert. Kannst du es hören? Ich schalte den Kopf ab, ich denke nicht nach, ich lebe, ich liebe, ich wende mich nach hier und dort, ich trinke der anderen süße Lust, lasse mich mitreißen und durch die Nacht tragen, und es ist gut – bis am nächsten Morgen die Gedanken wie ein Gewitter über mir zusammenbrechen.

28. Juli 2011

bunt|glas

Bis auf die Knochen nackt kommt man sich vor unter dieser Mauer, die man vor sich herträgt wie ein Schild und die doch nur Blenderei ist. Maskenball und verlorene Schuhe, die Schlacht am Buffet und aufgespielt wird ein Walzer nach dem anderen. Ich tanze und tanze, ein Fuß in blutigem Schuh, mit dem anderen barfuß über die Scherben, die Fenster gebrochen, sie sind nur noch Splitter auf dem Parkett. Einer lächelt, sein Herz klopft laut und ich tanze auf Abstand, weil der Sommer da ist und mit ihm die Erinnerungen an die Kraft eines Frühlingsgewitters, dessen gewaltige Einwirkung auf meine kleine Welt immer noch Spuren hinterlässt.

26. Juli 2011

unge|ahnt

Führ mich
hinters Licht
auf Wellen will ich reiten

Ohne Worte
Widersetz ich mich
der Ebbe

Und stehe
mit feuchten Wangen
am Ufer
deiner Welt

25. Juli 2011

halte|stelle

Vielleicht ist das ja eigentlich der Normalzustand, dieses Dahintreiben, dieses Aufstehenarbeitenfreizeiten ohne wirklich darüber nachzudenken. Wenn das so ist, dann hab ich mich und mein Frühlingsmädchen gerade ganz gut im Griff, mit all den Alltagssorgen und den versteckten Wundern, die man einfach übersieht, weil man den Blick stur geradeaus hält und nicht links, nicht rechts und erst recht nicht in den Himmel sieht. Da oben aber gibt es derzeit ohnehin wenig zu sehen bei all den Wolken und dem ganzen Grau.

Recht so. Vielleicht brauche ich das zur Zeit – und wünsch mir heimlich doch einen Wolkenbruch. Denn nach Regen kommt Sonne und ich gebe die Hoffnung nicht auf.

23. Juli 2011

maß|los

Wogen glätten sich mitunter. Die Tiefen und Untiefen aber bestehen weiterhin, sie sind nur unsichtbar – die Oberfläche ein Spiegel und ich sehe dich darin. Wie Freunde eben, wie Kollegen, nichts weiter; ich schwebe im emotionalen Vakuum und treibe dahin. Mein Kopf steinschwer und federleicht die Gefühle, die mir irgendwo unterwegs entglitten sind, davongeflattert, hoch über mir, aus dem Sichtfeld. Ich kann nicht einfach ungeschehen machen, was passiert ist. Du ebenso wenig. Wir begegnen uns, deine Umarmung ein Anker auf landloser See, ein kurzer Halt und deine Wärme, dein Lachen, deine Haut, ich will dich küssen, will dich vergessen. Ich blicke von oben auf mich herunter und sehe, sehe nicht, sehe, dass ich nichts sehe, alles verschwommen da unten, nichts greifbares, nicht gut noch schlecht, nicht da, nicht fort, nur Grautöne und Schattierungen. Dabei ist schwarz und weiß doch viel einfacher, ganz oder gar nicht viel leichter zu verstehen.
Ich denke nicht. Ich fühle nicht. Ich weiß nicht, was passiert.

21. Juli 2011

regen|nacht

Ich verlier dich, Frühlingsmädchen, langsam entgleitest du mir. Wie Honig rinnst du mir durch die Finger, und deine süße Spur verblasst, vom Regen fortgewaschen, der Herbst ist da. Und während jetzt schon Blätter von den Bäumen fallen, ist es doch viel zu früh eigentlich. Viel zu früh für all die Kälte, die mich frösteln macht, zu früh für diesen Winter innendrin und doch zu spät, noch an dir festzuhalten, Frühlingsmädchen. Schlaf, mein Mädchen, schlaf wohl, während ich hoffe, dass du irgendwann wieder aufwachst und mir den Frühling zurückbringst. Bis dahin wart ich im Regen.

17. Juli 2011

tro|janer

Verhärtet ist nicht das Herz sondern seine Wunden, verhärtet und narbenwulstig. Darunter das zarte Sein, irgendwo versteckt zwischen den Jahren und Erinnerungen, du ahnst es aber siehst es nicht.

Die Mauer wächst stetig und wird von Tag zu Tag stabiler, eine Mauer aus Narben und Wut und Wille zum Schutz. Noch dringt manches durch bis ins Zentrum, ein Stich nur, stecknadelklein, während außen das Leben tobt. Doch auch die letzten Schlupflöcher wirst du noch füllen, mit Missverständnissen vielleicht, mit Dystopien und Ablenkungen, bis alles wieder beim Alten ist und du dich wiederfindest auf vertrautem Terrain, wo du dich auskennst und blind navigieren kannst. Blind für die anderen, blind für dich selbst.

15. Juli 2011

auf|mauern

Und dann baust du die Mauer eben wieder auf, Ziegel um Ziegel, während das Frühlingsmädchen weint und wimmert, weil du es wieder zurückbringst in die Isolation, weil du es zurückschickst an den Ort, von dem es gekommen ist. Du selbst aber setzt Stein auf Stein, weil du schützen willst, was dir das wertvollste ist. Die Lücken in der Mauer, die Nähe und Wärme und Vertrauen geschlagen haben, füllst du mit Enttäuschung und Angst, bis nichts mehr durchkommen kann, bis nichts mehr dir etwas anhaben kann, weil es weitergehen muss irgendwie, weil du keine Zeit, keine Geduld und keine Kraft hast, vor einer zerbröckelten Mauer zu stehen und den Schutt abzutragen, den ganzen Giftmüll zu entsorgen und dabei noch positiv in die Zukunft zu schauen.

Ich sperre das Frühlingsmädchen ein und mich dabei aus. Ich setze Ziegel um Ziegel.

14. Juli 2011

bänder|riss

Das Kennenlernen beginnt an der Stelle, an der das Reden nicht mehr möglich ist und die Stimme bricht.

Meine Kehle ist wund schon, die Lippen längst träge, wir sprechen immer noch.

9. Juli 2011

durch|halten

Sag, dass ich das gut gemacht habe. Sag, dass es richtig war, neben dir her zu gehen, wie Freunde eben nebeneinander her gehen. Sag, dass es wichtig war, beim Abschied kalt wie ein Stein zu sein, bis die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Sag mir, wie lange das weitergehen wird, und ob ich nicht doch nur die Kopie der anderen bin, die sich dir gegenüber nicht mehr normal verhalten können, seit du sie auf deine seltsam-schweigsame Art berührt hast. Berührt und dann weit von dir gewiesen, nicht äußerlich sondern innen drin, dort, wo angeblich die Seele sitzt, dort, wo du Narben trägst wie alle anderen, dort, wo mein Herz an dir bricht.

Meine Hände halten krampfhaft fest, was keiner sagen kann. Ich kann nicht loslassen.