Und du wartest. Auf den Zug und eine Email, auf den Schlaf und das Wachwerden, auf eine Antwort, einen Anruf, eine Lächeln. Du stehst dir die Beine in den Bauch und wartest auf den Frühling, darauf, dass irgendwas endlich besser wird, auf den Traumjob, den Traummann, das Träumen, wartest auf einen Sonnenstrahl oder den Regen, auf beides gleichzeitig und auf eine Erkenntnis, trinkst Tee und wartest ab, bis einer kommt und dir einen Kuss auf die Stirn gibt, bis die Wohnung sich von selbst putzt, bis die Nacht zum Tag wird und umgekehrt. Sortierst Gummibärchen nach Farbe und wartest auf das nächste Lied, auf das richtige Füllmaterial für das Loch in deiner Seele, auf ein Ja oder ein Vielleicht, vielleicht auch auf ein Nein. Die Stunden ziehen ins Land und du sitzt da, starrst an die Wand, starrst auf den kahlen Baum vor dem Fester, starrst in dein Inneres, es starrt zurück, wartest, bis dir endlich mal einer den richtigen Tritt gibt, damit du aufhören kannst mit dem Aufhören und anfangen mit dem Anfangen.
wir tanzen keine walzer mehr
Ich würde gerne sagen: Der Beat pocht. Aber der Beat hat Urlaub, glaube ich, oder ist ausgewandert, wasweißichschon. Stattdessen summe ich Lieder von Baukränen und Füßen aus Beton, mit Flattern in den Armen, von meiner Sehnsucht, die meine Triebfeder ist und die ich nicht benennen kann. Stell mir keine Fragen, zur Antwort bekommst du nur die Abgründe; stell mir Fragen, damit ich der Antwort näher komme. Gib mir einer den Beat zurück, das pulsierende Leben, die Frequenz zum Durchdrehen, Abhotten, Freitanzen, das Gefühl, auf der Tanzfläche zu sein; Zappeln ist das neue Kniewippen, Abheben das neue Kopfnicken, Schreien und Heulen der neue Therapietrend, damit kennen wir uns aus, aber wehe, einer fragt nach deinen Träumen, nach deinen Zielen oder gar nach dir selbst, dann gnadeihmwer, dann holladiewaldfee, uiuiui, festhalten, anschnallen, Achterbahn und vorher schon fünf Bier getrunken auf die extragroße Portion Zuckerwatte, los geht die Fahrt und unten am Kassenhäuschen steht dein Verstand und lacht.
ungekrönt sind wir ein häufchen elend
Schweigen um des Friedens Willen, in der Komfortzone bleiben, sich und andere nicht belasten, das können wir gut. Was wir nicht können: Mit dem Ergebnis leben. Innendrin laufen wir, bis uns die Luft wegbleibt, bis uns der Atem ausgeht und die Ausreden mit ihm, bis die Füße wund sind und das brennende Salz unserer Tränen auf unserer Haut alle anderen Schmerzen verdrängt. Die Angst ist nicht rational, aber allgegenwärtig; sich einlassen heißt loslassen, also lassen wir es. In meinem Kopf die Bilder, in meinem Kopf die Lieder und die Texte, in meinem Kopf Befürchtungen und du, wenn man Berge erklimmt, schwingt immer die Möglichkeit des Abgrunds mit, ich bleibe auf Normalnull und wär doch gern Seiltänzer.
seepferdchen
Dann schwimmst du eben mit, immer weiter, nur nicht aufhören, in Bewegung bleiben, damit du nicht sinkst wie ein Stein. Wäre ja noch schöner, unten am Grund zu liegen, blind und taub, mit diesem Druck im Gehirn, während der Rest Synchronschwimmen übt. So lange du dich um die Koordination deiner Gliedmaßen kümmern musst, kommst du wenigstens nicht auf dumme Gedanken. Gut so, auch wenn das bedeutet, dass du keine Zeit hast, dieses seltsame Glück zu genießen, das dich derzeit so flutet, keine Zeit, um durchzuatmen, dir das alles mal ganz genau anzuschauen und sei es nur, um ein Erinnerungsfoto zu machen für deine Wall-of-Fame der fucking besten und schlimmsten Momente deines Lebens, für diese Chinesische Mauer deiner Emotionen, diese Berliner Mauer deiner Liebe.
sichtweisen ungesehener
Du blinzelst in den Tag, mit Zuversicht, das ist ein bisschen neu so. Mit halbgeschlossenen Lidern realisierst du, das jemand neben dir liegt, so unvertrautvertraut, so ungeahnt, das es fast weh tut, du lächelst. Und hast Gesagtes zwischen den Ohren hängen; Wahrheiten, eisklar und ungeschminkt, sind über nacht geblieben, graben sich in dein Herz und du überdenkst dich, es schmerzt nicht mal, das ist das seltsame, es schmerzt nicht mal. Stattdessen hebst du den Blick, seit langem mal wieder, siehst statt auf deine eigenen Füße in die Augen deines Gegenübers und weitest den Horizont, der Horizont weitet dich und ein Wunsch auf deinen Lippen formt nur ein einziges Wort.
von händen und tanzbären
Was treibt uns, wenn wir uns umeinander drängen, was drängt uns auseinander, wenn wir des nachts fast zerbrechen. So tanzen wir, um nicht sehen zu müssen, so trinken wir uns Mut an und halten durch und aus, es macht dich stolz, ein bisschen. Genug, um nicht aufzugeben, weiter und höher hinaus, Stück um Stück mit dir an der Hand und deinen offenen Augen, mit dem Verstehen um diese Wunden, die man viel zu lange mit sich herumträgt, länger als Salz noch wirken könnte, länger als dein Atem ist, kürzer aber als die bleibenden Narben.
wir brechen keine regeln, wir brechen uns die beine
Es ist so kalt in Deutschland, dass deine Gedanken an den Umständen festfrieren und deine Gefühle mit Rauhreif überzogen den Kältetod sterben, es ist so kalt in dir drin, dass auch die Sonne dich kaum aufheitern kann. Es ist kalt geworden, plötzlich und wie mit einem Donnerschlag, es hat dich überrollt und du wachst auf und spürst dich nicht, nur die vermaledeite Leere, die dir zwischen den Zähnen hängt wie Sand, es knirscht ein bisschen im Gehirn und deine Finger sind taub. Aufwachen, weiterleben, einschlafen und nicht träumen dabei. Aus dem Haus gehen und gefrorene Tränen wie Perlen von den Wangen pflücken, wir leiden nicht, wir rätseln bloß und setzen einen Fuß vor den anderen. Tritt um Tritt, Atemzug um Atemzug. Zurück bleibt nichts, zurück bleibt alles und wir auf der Strecke dabei, wer wundert sich noch, wer geht noch aufrecht.