3. Januar 2013

mit tanzenden händen

Wir warten nicht mehr, das Warten haben wir aufgegeben, lange schon, zu lange, um sagen zu können: nur ein Weilchen. Ein Weilchen, ein kleines bisschen nur, das war früher einmal, als wir noch dachten, dass das alles schnell wieder vorbei sein wird, dass es nur mal kurz eine Durststrecke ist, eine kurze Zeit, die wir uns vertreiben können mit Sommer und Sonne, mit Wind im Haar und Kuchen im Bauch, einen Lidschlag lang eben mal nicht im Höhenflug schweben. Mit den Tagen und Nächten wurden unsere Schritte schwerer und schwerer, die Füße immer mehr zu Beton und die Gedanken erst recht. Und eines Morgens dann wachten wir auf und stellten fest, dass uns etwas an den Boden gekettet hat, dass uns etwas das Fliegen verweigerte, das Schweben und Taumeln und Loslassen, eines grauen Morgens kam mit dem Aufwachen die Erkenntnis. Oha, dachte ich, oha – während draußen eine Meise sang und ich die Hoffnung nicht aufgab.

1. Januar 2013

nach mitternacht | keine fragen

Ein Vorsatz und noch vor dem Neuen Jahr wird er gebrochen; du kannst dich zurückhalten, sagst du und diese vier Wörter sind mein Silvesterwunder, mein eigener Vorsatz steht aufrecht im Raum. Immerhin ein gehaltenes Vorhaben, immerhin ein Kuss in den Nacken, immerhin du und dein manchmal sparsames Lächeln, dein durch irgendeinen seltsamen Nebel leuchtendes Lächeln, das mehr aus den Augen strahlt als sonst irgendwoher. Und durch die Nacht will ich sagen: bleib, bleib doch, komm wieder zurück, das Sofa ist frei und die Badewanne auch und mein Bett erst recht, ich habe sogar ein Kissen für dich und einen wärmenden Körper und einige Stunden ohne Fragen, das ist doch, was wir alle so sehr brauchen: fragloses Glück, ab und an, fragloses Beieinandersein hin und wieder; die Antworten kommen ohnehin irgendwann von selbst, früher oder eben später, was macht das schon für einen Unterschied.

26. Oktober 2012

ich, das sind immer die anderen

Uns Rumtreiben, das können wir. Uns so lange beschäftigen, bis die Gedanken einfach schweigen und nachts dann alles über uns hereinbricht, in einem Donnerwetter im Kopf und mit der Schwere eines vergessenen Lächelns. Dann wälzen wir uns als Bettdeckenwurst hin und her, bis in der Matratze eine Kuhle entsteht, in der wir uns verstecken wollen vor dem Bösen der Welt, aber die Katze maunzt so jämmerlich, dass wir uns irgendwann doch auf- und die wirren Gedanken zusammenraffen. Da lacht der Tag und der Kühlschrank ist leer wie dein Bauch, Hauptsache Kaffee und Milch ist da, es sind die einfachen Dinge, die uns am Leben halten und die komplizierten, die uns den Kick in die Fresse geben; hallo Welt, ich hab noch nicht aufgegeben, bekomme ich jetzt einen Fleißstern? aber die Welt lächelt nur grau und faltig, während die Katze auf deinem Schoß schnurrt und schnurrt und schnurrt, kuschelwarm weich und du formulierst in deinem angeschlagenen Kopf die erste Wahrheit des Tages:  für wen machen wir das eigentlich, wenn nicht für die anderen.

11. Oktober 2012

nachtschwarz stolpern wir und stürzen nicht

Ein Blaumann und eine Wahrheit, fünf mal Lächeln und die Frage nach dem Präzisionsgedeck einer Notfallchirurgie. Wo andere zerbrechen, haben wir längst unsere Mechanismen, unsere Schutzpanzer aus Leckmich und Fuck, unsere Angst und das Wissen darum, dass das alles nichts ist gegen unsere Abgründe, unsere Furcht und die Monster in unseren Betten. Halt mich mal kurz und lass mich den Bass deiner Stimme spüren; das verspricht etwas, das erzählt mir eine Nachtgeschichte und ob sie gut war, erzähl ich dir morgen vielleicht, nächste Woche oder auch nie – und sowieso nur, wenn du fragst_ ich muss weg, früh aufstehen oder der Müdigkeit nachgeben oder einfach ein bisschen allein sein, irgendwas in der Art, auf jeden Fall fort, und es liegt nicht an dir sondern an der Art, mit der du mich ansiehst.

5. Oktober 2012

gerade mal nicht, aber wer weiß

Dann wünschst du dir diese verkackte Liebe zurück, dieses Taumelgefühl mit dem breiten Grinsen und dem noch breiteren Unwissen, das da immer so mitschwingt, dieses Schalala und Schubidu und nix passiert. Trott, sagst du, Trott und Alltag ist ja auch mal ganz schön, während irgendwo ein Sack Reis umfällt und eine Krähe keckert; du willst eine Explosion und alles, was du in dir drin spüren kannst, ist dieses Plopp und ein bisschen Wärme.
Eigentlich gar nicht mal schlecht.

3. Oktober 2012

nicht doch, nicht. oder doch.

Ein paar Tage hältst du das Alleinsein aus, sehr gut sogar, zu gut vielleicht, der Antrieb ist kaputt, irgendein Kabel ist durchgeschmort, manch einer nennt das Depression aber wir halten uns über Wasser mit Ablenkung. In solchen Zeiten merkst du dann, wen du eigentlich _wirklich_ gerne sehen würdest, oder besser: wen du nicht sehen magst; keine zwölf Pferde bringen mich vom Sofa, meine Ausrede hat Hand und Fuß und eine Erkältung, die ist gut gegen Gesellschaftsüberfluss und für Nachdenkzeit, für das Sondieren von Wichtigkeiten und das Runterkommen vom ewigen Tanzen auf zu vielen Festen, ich mag diese Ruhe ja, und damals, da hat einer gesagt: das bist doch gar nicht du, du bist doch gar nicht so, und er hat sich irgendwie mal nicht geirrt dabei, weil ich das ewige Getanze satt habe. Wär trotzdem ganz schön, wenn irgendjemand da wäre. Und sei es auch nur, um mich daran zu erinnern, dass es mich gibt.

26. September 2012

wir bauen uns gefängnisse aus missverständnissen

Wie verwirrt wir manchmal durch die Gegend steuern, weil der Kopf nicht klar bekommt, dass das Herz sich überschlägt; wie blind wir sind oder besser: wie vernebelt der Blick ist, weil alles durcheinander gerät durch Winzigkeiten und deine eigene Angst. Dann stehst du im Fokus und rutschst aus ihm heraus, bis du nur noch im Hintergrund herumhampelst und dein Verstand von den ganzen Emotionen übertölpelt wurde. Triumphierend machen sich deine Gefühle über die Situation her und plündern die Regale deiner Gedanken, dir bleibt nur, schweigend zuzusehen, weil du entwaffnet wurdest von einem Falschspieler, weil du zu schwach bist gegen die Macht deiner Furcht und die Apokalypse eh schon da ist, was willst du noch kämpfen, du bist es leid und müde bist du auch. Nach der Schlacht dann bist du verwundet und stumm, nach der Nacht bist du verletzt und sprachlos, bis diese verkackte Hoffnung um die Ecke kommt, zu spät, wie immer, aber gerade noch rechtzeitig.

25. September 2012

über das erinnern vergessen wir uns

Wann genau haben wir eigentlich vergessen, wie das funktioniert, das mit der Menschlichkeit und dem Aneinanderannähern, diese Sache mit dem Miteinander statt Nebeneinanderher, wann genau ist uns das abhanden gekommen und warum finde ich keinen Funken davon in deinen Augen und in deinem Atem und in meinem Kopf auch nicht. Nur diese Leere innendrin und das Nichtverstehen; was ist da eigentlich passiert mit uns und warum will ich nie wieder ertrinken in den Kaffeetassen voller Sehnsucht und dem Geruch nach Kennichgut, soll das doch bleiben, wo es hingehört: zwischen die Beine anderer Frauen, wo du mich so vollständig und ganz und gar vergisst, so sehr, dass ich durchsichtig werde und du mich kalt begrüßt bei einem Wiedersehen, als wäre nie etwas passiert zwischen uns, als hätte ich da irgendwas nur geträumt, so sehr, dass ich mich aufreibe daran, weil ich dich einfach niemals vergesse, weil du immer da bist, ständig; wie anstrengend das ist und wie wenig du weißt.

24. September 2012

die sonne fällt uns in den rücken

Mitten im Nichts stehst du und das Lachen fällt dir schwer. Mit der Zurückhaltung eines Buschwindröschens kommst du nicht weit, das hast du immer geahnt und der Abend bestätigt deine Furcht; wie unsichtbar und lichtdurchlässig wir sind manchmal im Taumel der Nacht, wie nicht vorhanden in den Augen der Menschen und was überhaupt ist eigentlich Nähe, wenn sie sprunghaft ist wie die rollende Gischt an den Klippen der Einsamkeit, wenn sie kommt und geht und dich kalt und kälter zurücklässt, mit diesem Unverständnis und dieser Angst, mit den immer wieder gleichen traurigen Träumen und dem nahenden Winter in den Fingerspitzen. Was ist Nähe, was Freundschaft und warum kommst du da irgendwie nicht mehr ganz mit, weil alles so schwankend und wankelmütig ist, so schnell so anders und du vor der Tür, frierend.

19. September 2012

auf dem dachboden trocknet das herz

Wenn die Sonne untergeht, haben wir das doppelte Gewicht und unsere Beine tragen uns kaum. Nicht dich, nicht deine Wunden und auch nicht die Zweifel, aber was macht das schon, vom Zusammenbruch sind wir weit entfernt, so weit, dass am anderen Ende unserer Gedanken noch Mittag ist, während hier der Abend über uns rollt wie ein Einschlaflied. Wir sind weder nachtblind noch tageslichttrunken, nur etwas verwirrt ob der Tatsache, dass nichts uns aus der Bahn wirft.