Und dann stelle ich mir vor, wie du lächelst, da drüben, am anderen Ende der Leitung. Wir sind so modern heutzutage, dass wir das als normal empfinden, dieses Voneinandergetrenntsein mit dieser dennoch stetigen Nähe; räumlich getrennt sein, das kennen wir von damals, das ist nichts Neues, dass wir uns nur in Gedanken nah waren, aber früher, da haben wir zur Überbrückung das Telefon in die Hand genommen, mit Kabel daran und mit dem Wissen, dass die gesamte Familie für die nächsten zwei Stunden nicht erreichbar ist. Heute aber, da bist du immer da irgendwie, da kommt eine Nachricht, während ich im Büro sitze oder beim Kaffee am Küchentisch oder wenn ich im Bett liege oder unterwegs bin, heute sind wir uns alle viel näher und doch irgendwie viel weiter voneinander entfernt. Weil wir uns über das Netz irgendwie die Zeit überbrücken können zwischen vorgestern und morgen, zwischen einem Kuss und dem nächsten, zwischen uns und unserer Sehnsucht; das macht nichts weiter, das wundert nur, dass ich trotz allem schon nach fünf Stunden ohne Nachricht von dir das Gefühl habe, es nicht eine Minute länger aushalten zu können, das wundert, weil ich mich frage, wie wir das eigentlich ausgehalten haben, als wir noch Teenager waren und die Telefone verkabelt und die Entfernungen so unglaublich groß.
19. Januar 2013